Die Sonne scheint schon früh am Morgen in unser Zimmer und der strahlend blaue Himmel verheißt einen herrlichen Tag. Erst jetzt sehe ich, dass unser Hotel am Fuße eines großen Berges liegt, der gestern noch ganz und gar in der tief hängenden Wolkensuppe versteckt war. Die meisten Wanderpfade im Nationalpark liegen innerhalb des großen Canyons und sind nur per kostenlosem Shuttle zu erreichen. Die haben das hier perfekt durchorganisiert: Zunächst geht es per Springdale-Shuttle zum offiziellen Parkeingang, dort dann mit weiteren Bussen den Canyon beliebig weit hinauf, mit zahlreichen Zwischenhalten, wo jeweils Wandertrails in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen starten und enden. Wir sind ein bißchen spät dran heute und stehen erstmal in einer langen Schlange für den Canyon-Shuttle an. Es geht aber recht flott voran und schon sitzen wir im luftigen Bus. Die Fahrer sind mit Mikrofonen ausgestattet und erzählen Wissenswertes über die Flora und Fauna und beschreiben kurz die Wanderwege an den jeweiligen Stationen. Es kommt mir ein bißchen vor wie Jurassic Parc ohne Dinos, aber es überwiegt die Einsicht, dass hunderte Fahrzeuge, die alle parken müssten, in diesem Canyon nicht umherfahren können.
Unsere erste Etappe heute führt am Fluss entlang und hier arbeiten zig Kollegen von Bob aus Banff. Die meisten sind ganz schön pummelig und ziemlich zahm, weil sie von den Touris gefüttert werden, obwohl das mit einer empfindlichen Strafe belegt ist und von den Parkrangern mit Argusaugen kontrolliert wird. Hier sind heute wahnsinnig viele Familien mit Kindern unterwegs und ich sehe etliche von diesen Tragerucksäcken mit Gestänge zum Transport von Babys und Kleinkindern, die neuerdings so in Mode gekommen sind. Über den Sinn, ein Baby in der Mittagszeit bei 35° und darüber hinaus huckepack durch den Canyon zu schleppen, nur weil es möglich und anscheinend topmodern ist, darf man wohl streiten. Die brüllenden Kinder scheinen meines Erachtens eher wenig Spaß daran zu haben und mir beginnt das alles ganz furchtbar auf den Geist zu gehen. Hier sind mir zu viele Menschen mit zu vielen Innovationen. Neu in Mode scheinen in Japan dieses Jahr Rucksäcke zu sein, die etwas, das aussieht wie ein Pinkelbeutel hinten drin haben, aus dem man sich mittels eines langen Schlauchs während des Gehens am Getränk bedienen kann. Leute, für eine Alpenüberquerung mit Zeitvorgabe kann das sinnvoll sein, für diese maximal 5-6 km langen und befestigten Spazierpfade wirkt es auf mich übertrieben bis lächerlich. Schuld daran ist aber auch die Parkleitung, die im Ort allgegenwärtig verkündet, man solle ja nicht unter zwei Litern Wasser pro Person und ohne feste Schuhe und Kopfbedeckung, am besten noch mit Wanderstöcken, aufbrechen. Es gibt indes an jeder Bushaltestelle Möglichkeiten, seine Wasserpulle kostenlos zu füllen. Kurz – es ist alles aus meiner Sicht überorganisiert und ich fühle mich deutlich unwohl. Wir machen noch einen weiteren Trail mit höherem Schwierigkeitsgrad, aber das ändert auch nichts an der Masse an Menschen, die hier unterwegs ist. „Let’s get out of here“ sage ich zu Abi und wir nehmen den nächsten Shuttle. Ich setze mich ans Fenster und lasse meine Hand in den Fahrtwind heraushängen, was umgehend von der Fahrerin mit einem flötenden „I see a hand outside the window“ in den hinteren Wagen per Lautsprecher kommentiert wird. Aha. Das ist anscheinend auch verboten. Ich gehorche, ziehe meine Hand zurück und denke an George Orwell. „Thank you for your cooperation“ knattert die Stimme erneut. Und jetzt nichts wie weg hier…
Die Landschaft ist und bleibt aber toll und im Mai/Juni und nach der Saison muss es hier wunderschön sein:
Heute Abend hätte ich gerne 2-3 Gin Tonic, aber ich muss mit amerikanischem Plörre-Bier vorlieb nehmen.
Morgen geht’s nach Las Vegas und am Abend wartet unser Helikopter für den Flug zum Grand Canyon. Hui, da freue ich mich drauf!