„Trés jolie!“ sagt Linda und grinst mich an. Ich steuere meinen MAVERICK (und der hieß schon lange vor TOPGUN 2 so) über eine holperige Straße quer durchs Industriegebiet von Port Jérome. Rauchende Schlote zur Linken, Beton zur Rechten und überfahrene Möwen pflastern den Weg. Hat was von der Schluss-Szene im BLADE RUNNER. Aber Odile, die freundliche Hauswirtin unseres B&Bs, hatte im Brustton der Überzeugung angepriesen, heute Morgen genau diese Route zu wählen. „Mit dem Boot übersetzen und links halten! Manifique!“
Immerhin, das Boot ist umsonst. Die Gegend jenseits der Seine östlich von Honfleur ist dann tatsächlich sehr hübsch. Wir zuckeln durch Wälder und niedliche Dörfer mit Häusern in traditioneller Fachwerk-Bauweise, die sich von der uns in Deutschland bekannten unterscheidet: hier sind die Holzstreben nur senkrecht verbaut und der Lehm dazwischen ist eierschalfarben. Typisch Normandie, und wirklich schön anzusehen!
Bald zieht es uns Richtung Westen. Ich möchte auf die Küstenstraße, die in Honfleur beginnt und bis Deauville führt. In Honfleur ist die Hölle los! Es ist Vatertag und wir müssen uns regelrecht durch die Menschenmassen quetschen, um auf die richtige Route zu gelangen. „Zwei von fünf Sternen!“ sagt Linda. „Es sind noch andere Leute da!“ Aber echt. Nix wie weg hier! Wir versuchen es am Abend nochmal mit dieser eigentlich so bezaubernden Stadt, lassen sie schnell hinter uns, und bald säumen grüne Blumenwiesen, Pferde und Kühe, zuckersüße Chambre-D‘hotes und herrschaftliche Villen den Weg. Besser!
Unser nächstes Ziel ist die Landungsküste. D-Day. Die wunderschönen Traumstände liegen so friedlich zu unseren Füßen, der Anblick könnte in keinem krasseren Kontrast zu ihrer schrecklichen Vergangenheit stehen. Es ist Ebbe in Arromanches und die Überreste von Mulberry Harbour ragen wie ein Mahnmal gegen das Vergessen aus den Fluten. Und wieder einmal sitze ich fassungslos auf den Klippen und stelle mir die immer gleiche Frage: Haben wir denn gar nichts gelernt?
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