Im Dialog #DRVHK22

Ich bin auf dem Weg nach Berlin, um im Rahmen des DRV Hauptstadtkongresses mit Vertretern aus Politik und Tourismus über die Bedeutung des Reisens für die Menschen in Schwellenländern zu sprechen.

In Tansania ist der Tourismus Wirtschaftsfaktor Nr 2 hinter NATURAL RESSOURCES, das sind Forstwirtschschaft und Bodenschätze. Was es für die Menschen im Land bedeutet, wenn Gäste ausbleiben, darüber habe ich in den vergangenen zwei Jahren hier längelang berichtet. Es sind ja nicht nur die Safari-Guides, die vor dem Nichts stehen, es gibt unzählige Sekundäreffekte: Betroffen sind beispielsweise auch Bauern, die ihre Ernte nicht loswerden, wenn Camps und Lodges nicht catern. Im Norden Tansanias, wo der grenzüberschreitende Tourismus aus Kenia bis heute praktisch zum Erliegen gekommen ist, sind sogar die Grenzen der Serengeti in Gefahr, weil Wilderei aus der Not der Menschen heraus stark zugenommen hat.

Ich danke dem DRV für diese Bühne, für die Möglichkeit zu Dialog und Aufklärung, ich danke jedem Entscheidungsträger aus der Politik, der zuhören möchte.

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Trés jolie!

„Trés jolie!“ sagt Linda und grinst mich an. Ich steuere meinen MAVERICK (und der hieß schon lange vor TOPGUN 2 so) über eine holperige Straße quer durchs Industriegebiet von Port Jérome. Rauchende Schlote zur Linken, Beton zur Rechten und überfahrene Möwen pflastern den Weg. Hat was von der Schluss-Szene im BLADE RUNNER. Aber Odile, die freundliche Hauswirtin unseres B&Bs, hatte im Brustton der Überzeugung angepriesen, heute Morgen genau diese Route zu wählen. „Mit dem Boot übersetzen und links halten! Manifique!“

Immerhin, das Boot ist umsonst. Die Gegend jenseits der Seine östlich von Honfleur ist dann tatsächlich sehr hübsch. Wir zuckeln durch Wälder und niedliche Dörfer mit Häusern in traditioneller Fachwerk-Bauweise, die sich von der uns in Deutschland bekannten unterscheidet: hier sind die Holzstreben nur senkrecht verbaut und der Lehm dazwischen ist eierschalfarben. Typisch Normandie, und wirklich schön anzusehen!

Bald zieht es uns Richtung Westen. Ich möchte auf die Küstenstraße, die in Honfleur beginnt und bis Deauville führt. In Honfleur ist die Hölle los! Es ist Vatertag und wir müssen uns regelrecht durch die Menschenmassen quetschen, um auf die richtige Route zu gelangen. „Zwei von fünf Sternen!“ sagt Linda. „Es sind noch andere Leute da!“ Aber echt. Nix wie weg hier! Wir versuchen es am Abend nochmal mit dieser eigentlich so bezaubernden Stadt, lassen sie schnell hinter uns, und bald säumen grüne Blumenwiesen, Pferde und Kühe, zuckersüße Chambre-D‘hotes und herrschaftliche Villen den Weg. Besser!

Unser nächstes Ziel ist die Landungsküste. D-Day. Die wunderschönen Traumstände liegen so friedlich zu unseren Füßen, der Anblick könnte in keinem krasseren Kontrast zu ihrer schrecklichen Vergangenheit stehen. Es ist Ebbe in Arromanches und die Überreste von Mulberry Harbour ragen wie ein Mahnmal gegen das Vergessen aus den Fluten. Und wieder einmal sitze ich fassungslos auf den Klippen und stelle mir die immer gleiche Frage: Haben wir denn gar nichts gelernt?

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Bububu

„Dieser Ort heißt Bububu, weil die Eisenbahn früher bis hierher fuhr. Sie verband die beiden Paläste, also das heutige House of Wonders in der Stadt und die Residenz auf dem Land.“

Ich habe anscheinend deutlich sichtbare imaginäre Fragezeichen im Gesicht.

„Na, Prinzessin Salme, Du weißt schon!“ erklärt Corina also, als wir für unsere Hotelbesichtigungstour auf der Insel Sansibar von Stone Town gen Norden fahren. „Schau mal, da kannst Du noch Reste der Bahnstrecke sehen. Alles andere ist längst als Trägermaterial in Häusern verbaut!“

„Schon klar mit der Prinzessin!“ antworte ich. „Aber… der kausale Zusammenhang erschließt sich mir gerade trotzdem nicht. Warum Bububu?“

Corina grinst, wie nur sie es kann, wirklich von einem Ohr zum anderen und schaut mich an: „Na, die Dampflok macht doch Bu-Bu-Bu, oder?“ Jetzt muss ich kichern. Die Zanzibaris sind so süß! Alles wird verniedlicht und doch irgendwie treffsicher auf den Punkt gebracht. Bububu. Ist doch klar!

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Ein bisschen Aroma

12.-15.2.2022 – Ndutu, Serengeti Savannah Tented Camp

Ich muss nochmal zurück zu meinem Zelt, denn es ist doch etwas kälter als ich gedacht hatte, morgens um 6 in Ndutu. Ich brauche eine warme Jacke für die Early-Morning-Runde hier im größten Tier-Kindergarten der Welt, wo der Regen der vergangenen Tage nicht nur die Herden der Great Migration angelockt hat, sondern auch das Gras und vor allem Blümchen in allen Farben nur so sprießen lässt.

Wir sind in einem meiner Lieblingscamps untergebracht, ganz simpel und nur mit dem Nötigsten ausgestattet, sprich: es gibt im Zelt elektrisches Licht, eine Toilette, eine Eimerdusche und ein Bett. Das Camp folgt der Tierwanderung und schlägt seine Zelte um diese Jahreszeit hier in Ndutu auf, ab Juli dann am Mara. Die Mannschaft ist wie so oft eine reine Männerwirtschaft und sie sind zu Fünft, einer aufmerksamer und liebenswerter als der andere.

Ich gehe also zurück zum Zelt und sehe, wie der älteste von ihnen auf der Plane vor dem Eingang in der Sonne hockt und meine total verschlammten Boots putzt. Das ist mir ja ein bisschen unangenehm, das kann ich doch selber machen, aber noch ehe ich etwas sagen kann, schaut er treuherzig und irgendwie ergeben von unten zu mir auf und fragt mich, als wäre es für ihn gerade das Wichtigste auf der Welt, auf Englisch: „Do you remember my name?“ Wir hatten im vergangenen August schon das Vergnügen miteinander. Ich muss schlucken.

„Samahani“, antworte ich in seiner Sprache, Entschuldigung, „samahani, hapana.“ Leider nicht. Er lächelt es weg und stellt sich mir erneut vor. „Ich heiße Shaffi!“

Shaffi kümmert sich vorwiegend um die Zimmer, bringt auf Order Wasser für die Dusche und ich nehme mir fest vor, dass ich ihn mit einem Küsschen auf die Wange und seinem Namen begrüßen werde, wenn ich ihn noch einmal wiedersehe, denn Shaffi ist schon ziemlich alt und ich weiß nicht, wie lange er diese harte Arbeit im Busch noch wird leisten können.

Wir sind die einzigen Gäste hier in diesem Camp, das locker Platz für viermal so viele Personen hat. Natürlich fühlt sich das toll an, so privat und privilegiert, aber es ist eigentlich ziemlich traurig. Es ist Februar. Hauptsaison. Eigentlich.

Ein kleines Dummerchen hat sich verlaufen und ruft laut nach seiner Mama. Doch das wenige Tage alte Gnubaby ist das einzige Tier seiner Art weit und breit. Jetzt hält es auf unser Auto zu und jammert bitterlich. Na, das ist ja was für mich. Wir halten und sehen uns mit den Ferngläsern um. Jetzt steht die kleine mitten in den weißen Blumen und lässt die Ohren hängen. Mein Herz! Das halt‘ ich nicht aus! Ich erspähe am Horizont eine Herde und sehe, wie ein einzelnes Gnu nervös umherläuft und ruft. “Da ist Deine Mama, Dummie, komm mit!” rufe ich ihr aufmunternd zu, und tatsächlich folgt sie uns schicksalsergeben. Als sie die Mutter entdeckt sprintet sie los, kassiert ein bisschen Ärger, aber Gottseidank geht diese Geschichte gut aus… fressen und gefressen werden, schon klar, >das ist die Natur< und so, aber verloren gegangene, hilflose Tierbabys, das kann ich wirklich nur ganz schwer ertragen. Vor allem, wenn sie um Hilfe betteln, wie kleine Eichhörnchen, die vorbeikommenden Menschen in größter Not die Hosenbeine hochklettern.

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Hakuna Nyumbu

„Jetzt hast Du schon alles gesehen, nur noch kein Gnu!“ sagt Silke zu Kim, und das ist echt witzig!

Unser Küken Kim, das erste Mal auf Safari, das erste Mal in Afrika, ist ein Glückskind. Leoparden, Löwen, sogar ein Nashorn in Seronera – was eine kleine Sensation ist – Büffel, Elefanten, Schildkröten, Mistkäfer bei ihrer lustigen Beschäftigung, Geparde in Jagdformation und heute Abend sogar noch Löwen mit frischem Riss. Das alles hat die Serengeti uns in nur drei Tagen geboten, doch bisher tatsächlich kein einziges Gnu, wo sie doch gerade für diese Rasse so weltberühmt ist!

Die üblichen Novemberregen waren letztes Jahr ausgefallen und die anhaltende Trockenheit hat die Ankunft der „Great Migration“ mit ihren Millionen Gnus in der Region NDUTU um gute 14 Tage verzögert. Inzwischen scheint sich aber wohl wirklich jedes Gnu dort eingefunden zu haben, denn von Januar bis Februar machen die riesigen Herden dort Station, wo die mineralstoffhaltigen Böden die werdenden Mamas mit allem versorgt, was es für beste Muttermilch braucht. Wir werden morgen sehen, wie weit die Geburtensaison inzwischen fortgeschritten ist, denn Ndutu ist unsere nächste Station auf dieser Reise. Ich freue mich schon auf Hunderttausende Babygnus und -Zebras.

„Als wenn er sagen will: Soll ich nochmal, oder haste es mit Deiner Kamera jetzt endlich hingekriegt?“ sage ich zu Stephan und muss lachen.

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Karibu Nyumbani

“Karibu Nyumbani!“ sagt der Immigration Officer mit dem schönen Namen SILVESTER bei Einreise und lächelt mich warm an, während er meinen Reisepass für den obligatorischen Stempel durchblättert und auf der Suche nach freien Seiten etliche vorherige Zeugnisse meiner Vergangenheit mit diesem Land erblickt. „Willkommen zu Hause!“

„Und jetzt: Daumen biiitte“ fordert er mich stolz auf Deutsch auf. „Und jetzt linke Hand ganz!“ Ich folge den Anweisungen, während er mir mitteilt, dass er mehr Deutsch lernen möchte, um die Gäste gebührend willkommen zu heissen. Herzerwärmend. For this is Africa.

Unsere Unterkunft für die kommenden zwei Nächte liegt zwischen Usariver und Momella und ist ein großes freistehendes Haus mit zwei Schlafzimmern, weiteren Schlafmöglichkeiten im offenen Obergeschoss und uriger Wohnküche. Wie immer werden wir kulinarisch aufs Beste verwöhnt und genießen die Abgeschiedenheit auf dem Land. Die Maracujas für den Spritzer Frucht im G&T sammeln wir selbst im Garten auf während zwei neugierige Buschbabys Gesellschaft leisten.

Gastgeberin BARBARA ist eine tolle Frau. Schweizerin, einst geboren als Tochter eines Arztes im Kongo, hat sie den Großteil ihres Lebens in Afrika verbracht. Wenn sie aus dem Kongo erzählt (meinem Traumziel Nummer 1) hänge ich an ihren Lippen und stimme direkt zu, als sie eine gemeinsame Kanu-Tour durch ihre alte Heimat vorschlägt. Ich hoffe, es wird eines Tages Wirklichkeit und war nicht nur dahingesagt.

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On the run

“Jetzt komm schon, Du zierst Dich doch sonst nicht so, wenn ich TANSANIA sage” hatte er kurz nach Weihnachten gesagt. “TANSANIIIIIAAA. SERENGEEETII!”

Und so hat mein Kumpel Mirko diesmal doch beinahe eine Woche gebraucht, bis er mich weichgekocht hatte. Denn eigentlich gibt es keinen Grund für diese Reise. Meine Bloggerei der letzten zwei Jahre hat ihren Zweck erfüllt. Die Buchungseingänge sind gut, unsere Leute vor Ort stehen endlich vor einem Jahr mit guter Arbeit in Aussicht, die es ihnen ermöglichen wird, ihr Leben – und das der ganzen Familie – wieder selbst zu finanzieren. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir es in einem gemeinsamen Kraftakt wirklich geschafft haben, dieser Pandemie und ihren ganz besonders hier in Afrika so lebensverändernd-bedrohlichen Auswirkungen die Stirn zu bieten.

Eigentlich also alles gut.

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Sklaventreiber

„Das ist jetzt nicht Dein Ernst“, sagt Stephan mit spöttisch-vorwurfsvollem Unterton. „In Anlage 4 Absatz 3 des Reisevertrags steht, dass es täglich um neun Uhr losgeht und, nebenbei gesagt, überhaupt gar nichts von irgendwelchen Abfahrten vor Sonnenaufgang!“ Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Bierernst schaut er mich an und bekräftigt mit einem abschließenden Augenzwinkern: „Wenn man Dinge nur oft genug wiederholt, dann wird es irgendwann zur Wahrheit, so läuft das doch, oder?“

Auf dieser Safari erleben meine lieben Gäste keinen einzigen Sonnenaufgang im Bett, denn spätestens um sechs in der Frühe rollen wir schon. Frühstücksboxen haben wir täglich geladen, einen Kaffee samt Muffin o.ä. vor dem Start gestehe ich aber natürlich jedem zu – muss man halt schon gegen 5:30 an der Bar sein.

Hier am Äquator geht die Sonne ganzjährig morgens um 6:30 auf und abends um 6:30 unter. Die allerschönste Zeit auf Pirsch beginnt mit der Verfärbung des Horizonts eine gute halbe Stunde bevor JUA (= Suaheli für Sonne) in nur wenigen Minuten auftaucht und in kürzester Zeit schon hoch am Himmel steht. Und so holpern wir erwartungsfroh Tag für Tag dick eingemümmelt in Daunenjacken und Decken mit den LandCruisern über Buckelpisten durch den erwachenden Morgen der afrikanischen Wunderwelt.

Halbstarke Gnukälber rufen allerorts nach ihren Müttern und immer, wenn sich zwei wiederfinden, hüpft mein Herz vor Freude. Glaubt es mir, Gnu-Mamas können sehr vorwurfsvolle Gesichtsausdrücke zeigen! In diesen riesigen Herden mit Hunderttausenden von Tieren dürfte es nicht so einfach sein, immer beieinander zu bleiben, vor allem, wenn man als vorwitziger Sprössling die Welt entdecken will. Übrigens, Stichwort 100.000. Ich habe ja keine Ahnung von Mathematik, aber mit den im letzten Beitrag erwähnten 100.000 Gnus bei einer Querung dürfte ich bei genauerer Betrachtung wohl doch etwas daneben gelegen haben, denn das würde bei 20 Minuten Dauer bedeuten, dass sich 80 Tiere pro Sekunde den Abhang hinabgestürzt hätten. Lassen wir’s vielleicht eher 20.000 gewesen sein, aber es spielt letztlich auch keine Rolle. Es sind unzählbar viele, 360-Grad-rundum sehe ich nichts als schwarze Punkte auf grünem Grund. Und hinter jeder Kuppe geht es immer nur noch weiter. Das ist sie, die berühmte Große Tierwanderung, THE GREAT MIGRATION, und wir sind mittendrin.

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Mara

„Daraus wird also Tequila gemacht“, sagt Uwe grinsend und zeigt auf das bunte Reptil.

„AGAME!“ antworte ich, mit „M“. „Nicht AGAVE!“.

Nachdem es in den letzten Wochen recht viel geregnet hat ist die Mara-Region der Serengeti nun grün und voller Gnus und Zebras. Ich habe ja schon viel gesehen, aber hier sind weit mehr als eine Million Tiere. Es sind auch mehr Autos unterwegs als in letzten Jahr, aber außer am Airstrip begegnen wir nur selten anderen Leuten.

Meine Gäste haben keine Ahnung davon, was es bedeutet, auf ein „Crossing“ – so nennt man es, wenn die Gnus und Zebras den Mara-Fluss überqueren – zu warten. Hier sind so unglaublich viele Tiere unterwegs, dass diese Querungen mehr oder weniger am laufenden Band passieren und wir nur der spritzenden Gischt zu folgen brauchen.

„Haraka Haraka!“ ruft Amini, legt den Gang ein und brettert los. Es ist früher Morgen, die Sonne bricht sich so eben Bahn und eine gewaltige Staubwolke weist uns den Weg hinunter zum Fluss. Im diffusen Licht des silbrigen Vollmonds und der aufgehenden Sonne stehen wir mit unseren drei Fahrzeugen allein am Ufer und werden Zeuge dieses aus dem Fernsehen bekannten Schauspiels, als sich nicht weniger als 100.000 Tiere in die Fluten stürzen. 20 Minuten dauert dieses Crossing und zu meiner größten Freude muss ich nicht mit ansehen, wie ein Krokodil zuschnappt. Ich meine, wenn man drei Tage im August hier ist und gar kein Crossing sieht, dann hat man schon echt Pech, aber man sieht es ganz gewiss nicht immer so.

Unser Camp haben wir exklusiv für uns, es liegt auf einem Hügel oberhalb des Flusses und ist umgeben von Gnus und Antilopen, die sich die ganze Nacht lang lauthals unterhalten. Das ist besser als jedes Hörbuch.

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