Wir besuchen heute zwei Inseln, die wir in den vergangenen Tagen breites angelaufen hatten und sammeln unsere Kühl-Container wieder ein. Es gibt kein Programm, wer möchte, kann in Eigenregie an Land gehen. Ich genieße einen faulen Vormittag mit Abi an meinem Lieblingsplatz, der offenen Verandabar auf Deck 6 am Heck. Wir liegen am Pier in einer geschützten Bucht und es könnte zum Sterben schön sein, würden sie uns nicht via Lautsprecher mit ABBA und My Way auf Panflöte terrorisieren. Zugegeben, es ist sehr leise und abgesehen von mir stört’s vermutlich niemanden, aber an die Dauerbeschallung, die aus der Liebe der Polynesier zur Musik zu erklären ist, kann ich mich nicht gewöhnen. Selbst die Matrosen laufen in ihrer Freizeit mit kleinen Brüllwürfeln herum und ich erinnere mich, dass Guide Steven auf der Wanderung ein Kofferradio im Rucksack hatte.
Die Polynesier sind Jörg zufolge ein sehr tolerantes Volk. „Wenn heute einer in Papeete mit Irokesenschnitt und Springerstiefeln herumlaufen würde, dann würden am ersten Tag noch ein, zwei Leute hinschauen, aber ab morgen wäre der im allgemeinen Gewühl integriert und interessierte niemanden mehr“. An Bord arbeiten auch einige Männer, die sich wie Frauen kleiden und geben, sogenannte Mahus. Das ist hier weit verbreitet, möglicherweise deswegen, weil es gesellschaftlich komplett akzeptiert ist. Wie selbstverständlich leben die Menschen ihre Neigungen aus und so lange es gewaltlos ist, kann hier jeder tun und lassen was er will. Keine strengen, tadelnden Blicke aus der Nachbarschaft, kein Tuscheln, es ist einfach normal. Sie sind uns Europäern in dieser Hinsicht meines Erachtens einen großen Schritt voraus!
Wir verlassen zum zweiten Mal auf dieser Reise die Bucht von Ua Pou und diese Passage steht der ersten in nichts nach. Die Landschaft sieht märchenhaft aus und erinnert mich an das alte Brettspiel ‚Sagaland‘, das ich in meiner Kindheit mit meinen Freunden Kathi, Christian und Silke so oft gespielt habe. Die untergehende Sonne meint es heute zudem besonders gut und malt die wattebauschartigen Wolken rosa-pink an, während wir geschmeidig an der Küste entlanggleiten. Ich habe sicher 30 Bilder desselben Motivs im Kasten, als Theres, liebe Reisegesellschaft aus der Schweiz, und ich auf die andere Seite des Schiffes gerufen werden. Was für ein Sonnenuntergang! Das Licht bricht sich hunderttausendmal in der dunstigen Luft und zeichnet alle denkbaren Mischungen und Nuancen von rot, gelb und blau ans Firmament und die See glitzert silbern dazu. Ich fürchte, ich wiederhole mich, aber es ist so unglaublich schön hier!