12.-15.2.2022 – Ndutu, Serengeti Savannah Tented Camp
Ich muss nochmal zurück zu meinem Zelt, denn es ist doch etwas kälter als ich gedacht hatte, morgens um 6 in Ndutu. Ich brauche eine warme Jacke für die Early-Morning-Runde hier im größten Tier-Kindergarten der Welt, wo der Regen der vergangenen Tage nicht nur die Herden der Great Migration angelockt hat, sondern auch das Gras und vor allem Blümchen in allen Farben nur so sprießen lässt.
Wir sind in einem meiner Lieblingscamps untergebracht, ganz simpel und nur mit dem Nötigsten ausgestattet, sprich: es gibt im Zelt elektrisches Licht, eine Toilette, eine Eimerdusche und ein Bett. Das Camp folgt der Tierwanderung und schlägt seine Zelte um diese Jahreszeit hier in Ndutu auf, ab Juli dann am Mara. Die Mannschaft ist wie so oft eine reine Männerwirtschaft und sie sind zu Fünft, einer aufmerksamer und liebenswerter als der andere.
Ich gehe also zurück zum Zelt und sehe, wie der älteste von ihnen auf der Plane vor dem Eingang in der Sonne hockt und meine total verschlammten Boots putzt. Das ist mir ja ein bisschen unangenehm, das kann ich doch selber machen, aber noch ehe ich etwas sagen kann, schaut er treuherzig und irgendwie ergeben von unten zu mir auf und fragt mich, als wäre es für ihn gerade das Wichtigste auf der Welt, auf Englisch: „Do you remember my name?“ Wir hatten im vergangenen August schon das Vergnügen miteinander. Ich muss schlucken.
„Samahani“, antworte ich in seiner Sprache, Entschuldigung, „samahani, hapana.“ Leider nicht. Er lächelt es weg und stellt sich mir erneut vor. „Ich heiße Shaffi!“
Shaffi kümmert sich vorwiegend um die Zimmer, bringt auf Order Wasser für die Dusche und ich nehme mir fest vor, dass ich ihn mit einem Küsschen auf die Wange und seinem Namen begrüßen werde, wenn ich ihn noch einmal wiedersehe, denn Shaffi ist schon ziemlich alt und ich weiß nicht, wie lange er diese harte Arbeit im Busch noch wird leisten können.
Wir sind die einzigen Gäste hier in diesem Camp, das locker Platz für viermal so viele Personen hat. Natürlich fühlt sich das toll an, so privat und privilegiert, aber es ist eigentlich ziemlich traurig. Es ist Februar. Hauptsaison. Eigentlich.
Ein kleines Dummerchen hat sich verlaufen und ruft laut nach seiner Mama. Doch das wenige Tage alte Gnubaby ist das einzige Tier seiner Art weit und breit. Jetzt hält es auf unser Auto zu und jammert bitterlich. Na, das ist ja was für mich. Wir halten und sehen uns mit den Ferngläsern um. Jetzt steht die kleine mitten in den weißen Blumen und lässt die Ohren hängen. Mein Herz! Das halt‘ ich nicht aus! Ich erspähe am Horizont eine Herde und sehe, wie ein einzelnes Gnu nervös umherläuft und ruft. “Da ist Deine Mama, Dummie, komm mit!” rufe ich ihr aufmunternd zu, und tatsächlich folgt sie uns schicksalsergeben. Als sie die Mutter entdeckt sprintet sie los, kassiert ein bisschen Ärger, aber Gottseidank geht diese Geschichte gut aus… fressen und gefressen werden, schon klar, >das ist die Natur< und so, aber verloren gegangene, hilflose Tierbabys, das kann ich wirklich nur ganz schwer ertragen. Vor allem, wenn sie um Hilfe betteln, wie kleine Eichhörnchen, die vorbeikommenden Menschen in größter Not die Hosenbeine hochklettern.
Aber auch Raubkatzen müssen essen …
„Das sind dieselben wie im letzten Jahr!“ ruft Mirko, als wir mitten ins Löwenfrühstück platzen. Sie haben in aller Frühe ein großes Gnu gerissen, und als wir die Szene gegen halb 7 erreichen, frisst nur Papa Löwe. Die Löwinnen und die Jungen müssen geduldig warten, bis Monsieur satt ist.
„Nein!“ gebe ich zurück. „Die Portraits habe ich mir hunderte Male angesehen und dieser hier war nicht dabei.“ Das ist zugegeben ungewöhnlich, denn Löwen haben ihre festen Territorien, aber diesen hier kenne ich trotzdem ganz bestimmt noch nicht.
Gute zwei Stunden verweilen wir bei den Tieren und schauen fasziniert zu. Wer wann fressen darf, das gibt die Hierarchie vor, und jedes Rudelmitglied kennt seinen Platz genau. Schakale und Marabus nähern sich vorsichtig und Schritt für Schritt, doch nur ein Blick des mächtigen Patriarchen genügt, um auch diese Zaungäste an ihren Platz in der Nahrungskette zu erinnern. Aufmüpfig und nervig wie sie sind, fragen die Schakale aber immer nochmal nach, ob das jetzt wohl auch wirklich ernst gemeint war.
In den weiten Ebenen um Naabi sehen wir unzählige Gnus und Zebras mit Nachwuchs. Hunderttausende. Soweit das Auge reicht. Das ist auch einer Gepardin nicht entgangen, die wir allerdings nicht bei der Jagd, sondern bei der Kinderziehung bewundern dürfen. Gleich vier Junge hat sie durchgebracht, Wilson schätzt deren Alter auf 5-6 Monate. Sie scheint eine besonders fähige Mutter zu sein.
Ein weiterer Gepard beschäftigt uns am nächsten Tag. Es ist faszinierend zu beobachten, mit wie viel Geduld und Ruhe sich das Tier einer kleinen Gruppe Thomsen-Gazellen nähert. „Mit Abenteuer Tansania sieht man eh keine Gepardenjagd!“ meint Mirko, denn er kann es nicht lassen mich mit einer viele Jahre zurückliegenden Szene aufzuziehen, als wir mal abgebrochen hatten, um uns Löwen zuzuwenden. „Der hat noch gejagt aber Du hattest ja keine Geduld!“ Keine Ahnung, wie oft ich mir das von ihm schon habe anhören müssen. Hundertmal bestimmt. Also stehen wir da und warten. Und warten. Und warten. Der große Kater lässt sich Zeit. Er hat nur eine Chance. Distanz und Wind müssen passen. Wenn er sich zu früh zeigt und die Tiere ihn entdecken ist es für diesen Versuch aus.
Nach 2 Stunden wäre ich dann wirklich bereit abzuzischen, aber ich werde überstimmt und nach einer weiteren Stunde ist das Schauspiel in nur 25 Sekunden vorbei. Wie kraftvoll er lossprintet und wie ungeheuer schnell er ist! Er packt sich eine der Gazellen und tötet augenblicklich. Ich weiß nicht. Ich muss dergleichen echt nicht nochmal sehen, aber im Grunde genommen ist es kein Stück besser, ne Dose Katzenfutter zu öffnen. Man sieht halt nur nicht mehr so genau, was es mal war….
Was dieses Ndutu so besonders macht ist nicht nur der Artenreichtum (eine Kobra gab‘s gestern zB auch für uns, ein irres Schauspiel: drei Marabus wollten sie zu gerne fressen, aber aufgepasst, wer zuerst zuckt, verliert. Denn erwischt die Schlange stattdessen einen von ihnen, ist der Tod gewiss) sondern das Farbenspiel. Der blaue See Ndutu, das frische Grün, die Blumen. Alles getaucht in gewitterschwangeres Licht, denn immer Mal wieder braut sich etwas zusammen, dann schifft es wie aus Kübeln und eine halbe Stunde später ist wieder eitel Sonnenschein angesagt. Zurück bleiben dampfende Erde und salziger Staub. Im Abendlicht wird’s dann alles rosa, bevor die Sonne versinkt und Dir ein guter Geist am Lagerfeuer einen Drink bringt.
Und nachts heißt es dann zu rätseln, wer auf vier Beinen ums geräumige Hauszelt schleicht.
„Halten wir noch für Löwen?“ frage ich, als ich mit dem Fernglas zwei mächtige Brocken in der Ferne erspähe. Eigentlich wollen wir in die andere Richtung, aber man kann ja mal eben gucken. „Na, wer sagt’s denn, da sind sie ja!“ Es handelt sich um die beiden Brüder aus dem letzten Januar, die Majestäten, die wir an diesem wundervollen Morgen im schönsten Licht der aufgehenden Sonne so ausgiebig bewundert hatten. Heute ist ihnen von ihrer Würde allerdings nicht viel geblieben, wie sie hechelnd und zweifellos vollgefuttert in der Sonne liegen. „Aber stimmt. Das sind sie!“ meint Mirko. Klar sind sie das. Diese Gesichter würde ich immer und überall wiedererkennen.
Als wir nachmittags aufbrechen hält die Natur eine neue Überraschung für uns parat. Es hagelt! Kirschgroße Geschosse fallen vom Himmel, wie das auf der Motorhaube scheppert! „Barafu, Barafu!“ Eis! ruft Shaffi erstaunt. Das gibt’s dann hier auch eher selten.
Die Löwenbrüder halten derweil überhaupt nichts von diesem Wetterphänomen und haben sich im Gebüsch verkrochen. Erst, als es nachlässt, traut sich der blonde hervor und schüttelt kraftvoll seine riesige Mähne. Perfekte Föhnfrisur, würde ich sagen, etliche Fußballer würden ihn beneiden 😉
Nun liege ich in meinem Zelt und höre einen der Löwen brüllen. Am Lagerfeuer zuvor haben uns Zebras Gesellschaft geleistet. Der Mond steht Dreiviertel voll am Himmel und erstmals auf dieser Reise leuchten uns die Sterne.
Und wisst Ihr, was noch großartig an Ndutu ist? Es ist ein einziges, großes Funkloch. No coverage at all. Und dieses simple Camp hat natürlich kein Wifi. Was für ein Segen, was für ein Luxus für die Sinne! Ich weiß nicht einmal, welcher Wochentag heute ist.
Ist mir auch total schnuppe.
Nachtrag zur Feier des heutigen Tages: alles, alles Liebe zum Geburtstag, Philipp Renggli! Wir vermissen Dich!

































Hello Marens, for quite a few years I have enjoyed your travels. It became much more than just looking at the pictures when I finally worked out to convert it to English. Clive and myself, Keith, had the pleasure of sharing the Aranui with you. I then was looking forward to seeing you again on the Aranui’s inaugural sail to Pitcairn, but alas you did not show up. When we feel comfortable about travel again maybe our paths will cross again. In the meantime Keep up the excellent work, stay healthy and safe. Cheers
Oh wow, what a surprise hearing from you! I didn’t know you were following this blog. Thank you very much for your kind comment – makes me very happy 🙂
Whenever you appear to travel to Germany please let me know and whenever I have plans again concerning Downunder or this direction in general I’ll keep you informed! Best wishes from Africa to both of you, maren
PS: how funny. Tried myself the translation first time. It’s really cool but the last sentence I didn’t write that in German. Haha!