Nach zwei Bieren im Saloon sind wir gestern Abend müde ins Bett gefallen und ab Mitternacht durchdringt die frische, kühle Luft endlich auch unsere „Cabin“ und lässt uns wunderbar schlafen.
Abi verlässt La Reata nach dem üppigen Frühstück und George düst mit dem Quad los, um die Herde zusammenzutreiben. Was für ein Spektakel! Zuerst höre ich sie ankommen, denn die unzähligen Hufe verursachen einen ordentlichen Lärm. Dann prescht das erste Tier durchs Tor und kurze Zeit später versammelt sich die schwer atmende Meute im Paddock. Herrliche Tiere, eins schöner als das andere und alle perfekt in Schuss. George bringt mir einen freundlichen Palomino namens Hollywood. „Here I have a Barbie-Horse for you“. Barbie-Horse? Ah, ich verstehe, wegen der Farbe seines Fells und seiner hellen Mähne. Mit Barbie habe ich ja nun wirklich so gar keine Ähnlichkeit.
Ich habe über 20 Jahre Erfahrung mit Pferden, aber wie man einen Westernsattel auflegt, das weiß ich nicht. Komplizierte Angelegenheit! Erst den Gurt hier, dann das Vorderzeug da, den hinteren Gurt so und vergiss Deine Decke für den Mittagsschlaf nicht. Any questions? Okay! Und jetzt nochmal langsam zum mitschreiben, bitte. Ich bin sicher: das kann ich auch morgen nicht alleine.
Wenig später ist unser Trupp unterwegs und in allerkürzester Zeit weiß ich, dass ich das große Los gezogen habe. Was für ein fantastisches Pferd habe ich da unter mir! Hollywood reagiert aufmerksam auf kleinste Signale, ich kann ihn sprichwörtlich mit zwei Fingern reiten, und das, obwohl ich absolut keine Ahnung vom Westernreiten habe und mein letzter Ausritt Jahre her ist. Das Pferd zeigt mir, wie er von mir behandelt werden möchte, wir sind uns schnell einig und harmonieren prächtig. Diese Art zu reiten ist mir fremd und neu, aber es fühlt sich schlicht „richtig“ an.
Unsere heutige Aufgabe ist es, ein paar ausgebüxten Kühe den Weg zurück zu weisen und Hollywood findet es mehr als ungerecht, dass ihm nur die Zuschauerrolle bleibt. An unserem ersten Tag sind wir zwei das, was bei der Löwenjagd der „Winger“ übernimmt, sprich: seitlicher Geleitschutz. Wir stehen wie ein Denkmal oben auf einem im Durchmesser kleinen, aber steilen Hügel und unter uns, vor der Kulisse des Lake Diefenbaker, bringt Madeleine die muhenden, zotteligen Viecher auf den richtigen Weg. Super. Und wie kommen wir hier jetzt wieder herunter? Während ich noch zögere, ergreift Hollywood die Initiative und geht einfach. Bevor meine Angst, mich zu überschlagen, mein Gehirn erreicht, sind wir unten. „Hast du irgendein Problem?“, scheint mein vierbeiniger Freund mich zu fragen. Ich habe keins! Yiiieha!
Am Abend nehmen wir Abschied von Maribel, was ich total schade finde, denn wir haben uns auf Anhieb blendend verstanden. Ich fahre mit ihr und George bis zum Tor und übernehme dort Georges alten hier geparkten Dodge, während die zwei Richtung Flughafen davonbrausen. „Kannst du den bitte zur Main Ranch fahren?“ Klar kann ich. King of the Gravel-Road! In der Wifi-Zone erfahre ich, dass Abi gut in Regina angekommen ist. Ihm geht’s gut und mir auch, was will man mehr. Leben und leben lassen. Ich mache mich zu Fuß auf den Weg zurück, aber zuerst steuere ich die Herde an, ich hab‘ sie vorhin aus dem Auto gesehen. Und dann schenkt mir das Leben einen dieser Augenblicke, den man nicht vergisst. Neugierig nähern wir uns, die Pferde und ich, und in der Abendsonne und der Weite der Prärie stupst mich einer nach dem anderen freundlich an. Ich mache ein paar Fotos in diesem herrlichen Licht und beschließe, nicht den direkten Weg zurück zu nehmen. Ich weiß, dass es noch mindestens eine Stunde lang hell genug ist und drehe eine große Runde, folge den Pfaden der Tiere, finde eine große Feder, den Fußabdruck eines Kojoten und irgendwann zum Glück auch die Guest Ranch, wo schon alles schläft. Ich hole mir noch zwei Bier aus dem Saloon und schlafe bereits, bevor ich das erste geleert habe.
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