Auf der Fahrt nach Jasper bleibt uns die Aussicht auf die Rocky Mountains verwehrt, zu tief hängt die Suppe aus Nebel und Regen über dem Horizont. Angesichts der schlimmen Berichte über die Waldbrände in British Columbia sind wir darüber aber eher froh, soll der Boden ruhig richtig durchnässen, besser für uns, besser für alle. Bei der Einfahrt in den Jasper Nationalpark freuen wir uns über unser kostenloses Pickerl, das Kollege Roman Müller vorab besorgt hat, und können einfach ohne weitere Registrierung durchfahren. Diesen Sommer sind zum 150jährigen Bestehen des Landes alle kanadischen Nationalparks kostenlos zu befahren.
Der Ort Jasper selbst begrüßt uns nachmittags mit Sonnenschein und wir beziehen ein schönes Zimmer im „Whistler Inn“ mit Aussicht auf einen schneebedeckten Gipfel.
12.Juli
Kaum haben wir Jasper für unseren Tagesausflug hinter uns gelassen, begegnen wir am Wegesrand einem Wolf. Ich bin gespannt, welche wilden Tiere uns heute noch vor die Nase laufen. Es soll hier Bären, Elche, Wapiti-Hirsche und allerlei andere geben. Es fühlt sich fast ein bisschen nach Safari an.
Der Maligne-Canyon ist unser erstes Ziel und wir wandern ein gutes Stück darin entlang. Die Japsen-Dichte ist hoch, ich staune über kichernde Frauen in knallroten Plüschanzügen („for those who like that sort of thing, that’s the sort of thing they like“) aber sonst gibt’s nicht viel zu sehen. Ein Wasserfall ist ein Wasserfall ist ein Wasserfall. Am Medicine Lake gelingen mir später schöne Fotos im diesigen Licht und, ohne ein einziges Wildtier gespottet zu haben, erreichen wir nach 40 Kilometern den berühmten Maligne Lake. Hier wollen wir nachmittags eine Bootstour machen, aber zuerst brechen wir zu einer Wanderung auf gut ausgeschilderten Pfaden auf. ICH WILL WILDE TIERE SEHEN! Um es kurz zu machen, ein Eichhörnchen gibt sich die Ehre, ansonsten muss mir die wunderschöne Landschaft bis auf weiteres genügen. Selbst am ‚Moose Lake‘ ist kein Elch weit und breit zu sehen. Die können anscheinend nicht lesen. Zurück am Maligne Lake wollen wir uns die Tickets für die Bootsfahrt besorgen und erfragen den Preis. 72 kanadische Dollar pro Person. Die sind doch verrückt, können uns mal gerne haben, und da es gerade wieder zu tröpfeln beginnt, kehren wir zum Lunch zurück nach Jasper und machen am Nachmittag stattdessen einen herrlichen, fordernden Spaziergang im Gebirge. Blauer Himmel, Sonne-Wolken-Mix und nicht zu heiss, das ist bestes Wanderwetter. Wenn da nicht die Moskitos wären, die eine echte Plage sind.
Exkurs Moskito
Ich habe es vorher gewusst und wir sind gut vorbereitet: Gott sei Dank haben wir die mückendichte Kleidung. Natürlich wäre es in kurzen Hosen schöner, aber die zerstochenen Beine entgegenkommender Autan versprühender Familien erregen mein tiefstes Mitleid. So wird der Urlaub zum Horrortrip. Ohne diese Klamotten wäre ich hier restlos aufgeschmissen. Schreibt es Euch hinter die Ohren, Freunde, solltet Ihr nach Westkanada reisen wollen: Es ist haargenau so schlimm, wie es in jedem Reiseführer geschrieben steht. Die perfekt funktionierenden Spezial-Klamotten erhält man in jedem gut sortierten Outdoor-Geschäft, z.B. Bei Blue Sky in Hannover, da gibts die kompetente Beratung kostenlos dazu.
Immer wieder kreuzen Reiter unseren Weg, der irgendwann nicht mehr ausgeschildert ist. „Sind wir noch auf der roten Route 1 Richtung Thors Zwillinge?“ frage ich Abi, der mich verständnislos anblickt, die Karte konsultiert und irgendwas von 2b und 2f redet. Ich bleibe gedanklich auf meinem raupenbetriebenen Atom-U-Boot unter dem Kommando von Kapitän Ramius. Nächste Kursänderung in 30 Minuten. Gib mir ein Ping, Vasily. Nur ein Ping.
Natürlich findet Abi den Weg zurück und was soll ich Euch sagen – direkt am Wegesrand steht keine zehn Meter vor unserem Auto ein Red Deer, futtert in aller Seelenruhe und posiert höflich für meine Kamera, bevor es mit zwei großen Sprüngen wieder im Dickicht verschwindet. Danke schön, liebes Universum, dass du mir auch diesen Wunsch erfüllst.
[Bilder folgen, Internet ist lausig hier]