Da stehe ich also am Kalalau Lookout, blicke über das ‚Valley of the lost tribe‘ auf die Naapali Küste und zwei Tränen stehlen sich meine Wangen hinab. Das ist mir so bisher nur in Tansania passiert: am Ngorongorokrater und außerdem immer dann, wenn sich der Kilimandscharo zum ersten Mal zeigt. Schönheit, heißt es, liegt im Auge des Betrachters. Hier auf Kauai habe ich mein pazifisches Pendant zum Ngorongorokrater gefunden.
Morgens zum Frühstück gibt’s heute aber zunächst eine Gecko-Show. Die kleinen Kerle sind zutraulich und schwer daran interessiert, ihren Anteil vom Frühstück zu ergattern:
9 Uhr. Wir machen uns auf den Weg zum Waimea Canyon. Eines muss man den Amis lassen, sie haben das super organisiert: an den Aussichtspunkten gibt es immer genügend Parkplätze und saubere Toiletten und das, obwohl dieses Wunder der Natur keinen Eintritt kostet. Hier gibt es Wanderwege in allen Schwierigkeitsgraden, die zu verschiedensten Kodak-Viewpoints führen, jedoch heute nicht für uns, denn dafür reicht unsere Zeit leider nicht aus.
Nicht so schlimm, denn dieser Canyon ist schon von den leicht zugänglichen Aussichtspunkten aus betrachtet beeindruckend. Für eine so kleine Insel ist er riesig groß und ein tosender Wasserfall am nördlichen Ende macht die Kulisse vollkommen. Staunend stehen wir am oberen Rand und genießen den Ausblick. „Das hat ziemlich viel Ähnlichkeit mit dem Grand Canyon!“, meint Abi und ich kann ihm nur recht geben. Die Erinnerung ist noch sehr frisch. Gleicher Planet! Gut gelaunt zieht es uns im Allrad-Jeep weiter den Canyon hinauf. Allenthalben laden Schilder zu weiteren Fotostopps ein und so erklimme ich nichtsahnend den vorletzten Aussichtspunkt für heute, als mir mein Herz in die Hose rutscht. Was.Ist.Das? Ich habe nicht damit gerechnet, von hier aus den Ozean zu erblicken und die unfassbare Größe und Schönheit der NaaPali Küste habe ich auch nicht auf dem Schirm gehabt. Ich habe es eingangs beschrieben, wie sich das anfühlte, und hier ist er, mein Ausblick:
Ich weiß nicht, wo ich zuerst hinschauen soll. Aufs Meer? Auf die Caldera? Ins Tal? Wir fotografieren und erkunden, schweigen und genießen, klettern und spazieren umher. „Das kann man auch noch so oft im Fernsehen oder auf Bildern anschauen, dieses Gefühl, hier oben zu stehen, das ist unbeschreiblich!“, rufe ich Abi zu. Der nickt. „Wirklich ein schöner Abschluss!“ Fürwahr.
Aber es ist ja noch gar nicht zu Ende. Wir checken um 15 Uhr für eine Katamaran-Tour in Port Allen ein. Ziel ist dieselbe Küste, nur eben vom Wasser aus.
Und so sitze ich wieder einmal auf einem Katamaran, die Gischt weht Flocken von Salzwasser in mein Gesicht. Ich habe ein kühles „Bikini Blond Lager“ in der Hand. Schildkröten tauchen auf und wieder ab und die Landschaft offenbart jetzt Wasserfälle, die nur vom Meer aus sichtbar sind. Seevögel kreischen in den Felsen. Die blaue Stunde bricht an. Die Küste mit ihren Tälern, Stränden, Höhlen und wilden Felsen scheint wie gemalt. Die Sonne geht unter und der Mond geht auf.
Somewhere over the rainbow
Way up high
And the dreams that you dreamed of
Once in a lullaby.