Frau Dortmund aus der Milchbar

„Genau für Sie habe ich hier freigehalten!”, strahlt uns eine weißhaarige Lady an und deutet auf zwei der heiß begehrten freien Plätze neben sich im angesagtesten Hotspot der Insel, wenn es abends auf den Sonnenuntergang zugeht. Ich bin heute dran mit Anstellen für Getränke, das kann dauern. Als ich mit einer Flasche eisgekühltem Rosé und einem Glas Oliven zurückkehre, hat ‚Frau Dortmund‘, wie wir sie nennen, meinen Mann Abi in ein Gespräch vertieft. Das ist also die Währung von Frau Dortmund, ahne ich, und auch, dass ich den Rosé weitestgehend alleine trinken muss. “Wir haben uns schon bekannt gemacht!”, strahlt sie mich an und, nein, sie trinke doch Pfälzer Riesling!

Ich lümmele mich in die Ecke auf dem bequemen Sofa und die etwas zu laute Lounge-Musik, die direkt über mir aus dem Lautsprecher schallt, verhindert eine Beteiligung meinerseits am weiteren Gesprächsverlauf.

Was für eine schöne Aussicht! Die vollverglaste Front lässt das Licht hinein und den Wind draußen. Die Nordseewellen laufen sanft über den Strand und zerstören ohne Rücksicht auf die Gefühle der kleinen und großen Baumeister die Werke des Tages.


„Ich habe ja alles geregelt!”, weiß Frau Dortmund, “Seebestattung!”, ruft sie mir, die Musik übertönend, zu. Abis Blick entnehme ich, dass zu diesem Thema ihrerseits wohl längst alles gesagt ist. “Ich möchte am liebsten mal dort begraben werden, wo auch Grzimeks Asche ist”, antworte ich höflich. Das sagt ihr was, aber so ganz will sie nicht drauf kommen. “Hmhmhmhm darf nicht sterben!”, helfe ich aus und ernte augenblicklich ein strahlendes “Serengeti!” “Genau”, bestätige ich, und konkretisiere noch auf Ngorongoro.

“Ich weiß ja nicht ob das für Sie interessant ist!”, beginnt sie nun ihr Kapitel über die seltsamsten Bestattungen samt Ritualen aus ihrem Freundeskreis, wobei es mir klammheimlich gelingt, mich aus diesem Gespräch wieder auszuklinken. Der geniale Roman BUTCHER’S CROSSING bringt mich in Windeseile gedanklich zurück nach Saskatchewan. Wenn es gut läuft, bin ich schon im nächsten Sommer wieder in der nordamerikanischen Prärie, in Montana. Nordamerika hat sich einen größeren Platz in meinem Herzen erobert, als ich je gedacht hätte.

“….wissen se, die meisten Frauen können das überhaupt nicht ausstehen, wenn ich mit ihren Männern plaudere!”, holt mich Frau Dortmund zurück ins Hier und Jetzt. “Dabei bin ich Ende siebzig!“, lacht sie, als wäre das nun wirklich allerhand, was die wohl denken. Abis leicht gequälter Gesichtsausdruck sagt mir, dass ich den Rosé jetzt austrinken soll, was ich bereitwillig erledige. Die Sonne verabschiedet sich und so auch wir, allerdings nicht ohne noch ein, zwei kleine Stories zum Abschied. “Vielleicht sieht man sich ja nochmal, es hat mich sehr gefreut!”, werden wir warmherzig verabschiedet, packen uns ebenso warm ein und bahnen uns den Weg hinaus.

“Genau für Sie habe ich hier freigehalten!”, dringt es kurz vor der Tür an mein Ohr, ich schaue zurück und sehe unseren Nachfolgern mit einem Lächeln auf den Lippen beim Platznehmen zu.

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