280 Flüge auf die Kanaren sind am Wochenende wegen des Sandsturms aus der Sahara ausgefallen oder umgeleitet worden. Gehen wir einmal von einer durchschnittlichen 189er Standardbestuhlung für eine auf der Strecke gängige Boeing 737 aus, dann sprechen wir bei einer geschätzten 90%-Auslastung der Flugzeuge also von rund 50.000 gestrandeten Passagieren! An einem einzigen Wochenende! Erschwerend hinzu kommt, dass Samstag und Sonntag bei fast allen Reedereien die Wechseltage sind und wir uns Mitte Februar in der Spitze der Hochsaison für Reisen auf die Kanarischen Inseln befinden. Chaotische Zustände an den Flughäfen, in den Hotels und auch auf den Schiffen waren die Folge. Hunderte Gäste, die nicht abreisen konnten, mussten in den Bars der Schiffe oder Hotels ausharren. An den Flughäfen war die Situation nicht besser. Aufgebrachte Gäste, verzweifelte Gäste. Keine Reiseleitung und kein Reiseveranstalter der Welt kann sich von heute auf Morgen um 50.000 Menschen kümmern. Wir schlittern mit unserer Branche seit einigen Jahren von einer Katastrophe in die nächste: immer häufigere Streiks, Airline-Insolvenzen, Groundings von Flugzeugtypen, Tsunamis und andere Naturkatastrophen bestimmen den Arbeitsalltag. Der bisherige Super-Gau war denn die Thomas Cook-Pleite mit der legendären begleitenden Fehlinformation im ARD Brennpunkt, zu der ich mit dem Chefredakteur einen üblen Email-Streit geführt habe, den ich nebenbei gesagt nicht verloren habe. Hauptsache etwas raushauen. Gute Recherche? Wen interessiert’s anno domini 2020?
Kann es eine Absicherung – sozusagen eine Vollkasko-Pauschalreise, wie die EU sie gerne hätte – überhaupt geben? Wenn ja, wer soll das bezahlen?
Und dann kam Corona nach Europa.
An normalen Tagen erhalte ich durchschnittlich rund 15 konkrete Emails und 10 Anrufe mit Anliegen rund um die Urlaubsplanung. Seit Meldungen von durch das Militär abgeriegelten norditalienischen Städten zwecks Suche nach dem „Patient Zero“ durch die Gazetten geistern, ein ganzes Hotel auf Teneriffa unter Quarantäne gestellt wurde und im Minutentakt neue Schreckensmeldungen über den Äther gehen, schweigen Telefon und elektronischer Posteingang beharrlich. Im ganzen Reisebüro herrscht gespenstische Ruhe. Vielleicht wird nirgends so deutlich wie am Reisebürocounter, wie gelähmt und verunsichert die Menschen in Deutschland gerade sind. Es herrscht Schockstarre!
Aber, jetzt mal ehrlich: Was ist denn das auch für ein Wording? „Patient Zero“? „Hamsterkäufe“? „Quarantäne“? Dauernd neue Skizzen auf der Mattscheibe mit fetten großen Zahlen zu Neuinfektionen? Wer denkt da nicht direkt an OUTBREAK, den 90er Jahre-Streifen mit Dustin Hoffman in der Hauptrolle? Mich erinnert das alles in erster Linie an den Ebola-Ausbruch in Sierra Leone vor einigen Jahren, der medial ganz ähnlich seziert wurde. Weil Menschen in gelben Schutzanzügen so furchtbar telegen sind.
Ich meine, hey, wir haben in Deutschland jedes Jahr 50.000 Tote durch multiresistente Keime in unseren Krankenhäusern. Fünf-zig-taus-end. Jetzt haben wir 15 mal Corona und alle flippen aus? Ich bin gespannt, ob sie die ITB absagen. Und ein paar Antworten, Herr Spahn, wären wirklich wünschenswert. Was ist hier eigentlich los?