„Und, wo feiert ihr Silvester?“ frage ich Roman, als wir dieser Tage mit den Reisebüro-Kollegen über den mittelalterlichen Weihnachtsmarkt zu Hannover streifen, in Erwartung einer Antwort wie zum Beispiel „Berlin“.
„Auckland!“ sagt er indes und grinst mich an. Natürlich. Warum auch nicht? Die maximal mögliche Entfernung (innerhalb der Grenzen dieses Planeten) ist soeben weit genug weg für meinen Weltenbummler!
Ab heute muss ich also damit leben. Roman verlässt uns. Ab morgen ist er nicht mehr da. Was in anderen Firmen ganz normal ist, gilt hier bei uns eben noch lange nicht. Ich bin seit beinahe 20 Jahren bei ÜSTRA Reisen beschäftigt und in all der Zeit habe ich ab und zu Azubis in die Wirklichkeit entsendet, ja, das schon. Es sind auch mal Kollegen in Rente gegangen. Aber, dass mich ein Mitarbeiter nach über acht gemeinsamen Jahren einfach verlässt, das muss ich mit 42 Jahren tatsächlich zum ersten Mal mitmachen. Wo wir doch so unendlich viel zusammen erlebt haben:
Moskau
Wir spielen mit 96 im Europapokal in Moskau. Wenn ich mich nur an das Drama mit der Visabeschaffung für unsere Spieler einerseits und unsere Gäste andererseits erinnere, läuft es mir kalt den Rücken hinunter! Darüberhinaus war ich bis einen Tag vor Abreise mit Gästen auf Sansibar und hatte nur soeben Zeit, die Taschen zu wechseln. Von plus 40 zu minus 20 Grad. Wie gut, dass ich Roman hatte! Ihn, der in den 90ern lange in Moskau gelebt hatte und sich auskennt. Also, wirklich auskennt!
Und so stehen wir mit der VIP-Gruppe an der U-Bahn und Roman hält mir Tickets hin. „Hier, halte die jeweils davor.. na, da, da vor den Sensor! Genau!“ Ich erledige die Aufgabe wie mir geheißen und meine Gäste passieren die Schranke einer nach dem anderen ohne Probleme. Pling. Pling. Ich verstehe allerdings nicht wirklich den Sinn, denn das Tor ist ohnehin offen. „Und was soll das?“ frage ich also „das ist doch alles offen!“ Gut 30 Leute sind inzwischen durch. Wir müssen unbedingt alle zusammen halten, denn die Anzeigen hier drinnen sind auf Kyrillisch ausgewiesen und die schiere Größe von U-Bahn einerseits und Gruppe andererseits erschwert unsere Aufgabe als Reiseleiter immens.
„Da kommen ganz fiese Stangen raus, wenn Du das nicht richtig davorhältst!“ sagt Roman nebenbei und erreicht damit für den Bruchteil einer Sekunde meine Aufmerksamkeit. Ich reagiere zu langsam, mein nächster Gast, ein etwas skurriler, älterer Geselle, der von seiner Mutti zum Flughafen gebracht worden war (und von dem ich ausschließe, dass er das hier jemals liest) kriegt die Dinger mit voller Wucht zwischen die Beine. Und was sagt mein Roman, wilde Grimassen reißend, zu mir: „Also, das musstest Du ja jetzt nicht unbedingt bei ihm ausprobieren!“ Sehr witzig, Roman. Sehr, sehr witzig!
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