„Widerlicher Typ!“, meint Linda, und wie so oft liegt sie mit ihrem Urteil richtig. Sie braucht in der Regel nicht mehr als 10 Sekunden um Menschen grob einzuordnen.
Wir nehmen unsere Plätze im Dreamliner nach Addis Abeba ein. In der Business Class steigt leider das Gäste-Benehmen nicht linear mit dem Komfort.
Unser spezieller Freund im Polo Ralph Lauren-Shirt hält nichts von Mundschutz und setzt sich auf der ersten Teilstrecke unserer Heimreise zu allem Überfluss auch noch direkt hinter uns (während der Rest der Plätze, einschließlich seinem, frei bleibt) um die ganzen vier Stunden mit einem grau gelockten Amerikaner in Hawaiihemd, Shorts und Plastikschühchen zu plaudern. Während ich mich noch frage, ob das wirklich sein muss, nickt Linda bereits weg.
In Addis motzt der Ami das Bodenpersonal an, weil er seine Schuhe beim Körperscanner nicht ausziehen will und in der Schlange zum Flieger nach Deutschland steht POLOHEMD plötzlich hinter uns, wiederum ohne einen Mundschutz zu tragen. Linda fordert ihn auf, sich in geschlossenen Räumen korrekt zu verhalten, aber der Yuppie gibt eine arrogante Antwort und tut, was er vermutlich in solchen Situationen immer tut, nämlich gar nichts. So ein Gockel!
Ich weiß von den Webseiten des RKI, dass wir seit letztem Montag, aus Tansania einreisend, nun theoretisch der Quarantänepflicht unterliegen, musste das aber echt mühsam recherchieren. Die Spannung steigt, als wir in Frankfurt landen. Habe ich es richtig gedeutet oder gilt das eventuell doch nicht? Wir passieren den Schalter des Bundesgrenzschutzes, zeigen unsere Pässe und es passiert absolut gar nichts. Kein Wort von Quarantäne, kein Hinweis auf Quarantäne. Und jetzt? „Vielleicht kommt das noch!“, spekuliere ich, aber Andreas gibt zu recht zu bedenken, dass es dazu keine Gelegenheit mehr gibt. Und jetzt? Ich möchte mich unbedingt korrekt verhalten! Ich kann ja wohl kaum 14 Tage durch Tansania gurken, alle auf Einhaltung der Regeln kontrollieren und es dann selbst nicht tun. Ich will und werde alle Corona-Regeln einhalten, so wie ich es seit Mitte März getan habe, und selbstverständlich auch während dieser Reise.
Noch aus dem Zug rufe ich also auf blauen Dunst beim Hamelner Gesundheitsamt an und bin überrascht, wie einfach das geht. Name, Adresse usw. und, ja, ich müsse mich auf direktem Wege nach Hause begeben und mich einem Test unter Quarantänebedingungen unterziehen. Meine Ärztin arrangiert das noch für denselben Tag. Und das läuft so:
Ich muss mit meinem Auto alleine zum entsprechenden Testgelände fahren, alle Fenster geschlossen halten (ich schwitze, mein Gott ist das ätzend heiß in Deutschland!) und meinen Pass von innen mit der Bildseite an die Scheibe halten. Ein Nicken signalisiert mir, dass ich richtig bin. „Weiter bis zum ersten Stoppschild und den Anweisungen folgen!“, brüllt mir der junge Mann durchs geschlossene Fenster zu. „Anweisungen Folge leisten!“ ist meine Lieblingsaufgabe. Schalten Sie Ihr Gehirn *jetzt* aus!
Ich erreiche das Stoppschild und da steht, ich soll eine Nummer anrufen. Ich komme mir vor wie Jason Bourne. Aber ich mache das. Es klingelt und jemand hebt ab. Mir wird erklärt, was Quarantäne ist, dass ich jetzt bis zum nächsten Stoppschild weiterfahren kann, und ich werde gefragt, ob ich noch Fragen hätte. Habe ich. „Wann kommt das Ergebnis?“ – spätestens Montag. Das ist gut. Ich ziehe vor. Stopp.
Ein Mensch im Ghostbusters-Kostüm winkt mich heran. „Was haben Sie denn in Tansania gemacht?“, möchte der nette Arzt wissen und er ist sehr interessiert. Da ich heute die letzte bin, berichte ich kurz von der aufregenden Zeit in Afrika, bis ich schließlich den Mund weit aufsperren muss und er einen Rachenabstrich nimmt. Wir verabschieden uns und ich kichere in mich hinein. Wenn ich da mal nicht jemanden für Tansania begeistert habe!
Wer sich an Natur und Tieren erfreuen kann, dieses Jahr im Juli/August Zeit hat, ein bisschen Geld übrig hat und nicht hinreist, der ist verrückt. Das kommt nie, nie, nie wieder. Diese Mara-Flussquerungen der Gnus und Zebras wie zu Grzimeks Zeiten – allein! Ohne LandCruiser-Parade.
Ich fahre direkt zurück nach Hause und verfluche noch immer die Hitze hierzulande. Ich möchte bitte SOFORT zurück an den Kilimandscharo und ins Hochland mit seiner frischen, klaren Luft.
Und jetzt heißt es warten.
Ich bin zutiefst überzeugt, dass ich in Tansania sicher war. Aber was ist mit dem Flug, mit dem Ekelpaket, der seine Maske nicht tragen wollte? Auch im ICE nach Hannover haben 80% aller Reisenden in unserem Grossraumwaggon die Maskenpflicht stumpf ignoriert und das Zug-Personal sagte keinen Ton.
Ich sorge mich nicht um mich. Aber wenn ich jetzt COVID-positiv sein sollte, das wäre eine Katastrophe für den Tourismus in Tansania. Warum in drei Teufels Namen habe ich dieses Talent, mich dauernd in solche Schwierigkeiten zu bringen? Ich müsste nach all dem Brimborium schon dazu stehen und das Donnerwetter aushalten. Die Fachpresse hat längst Wind bekommen, diese Videoclips des tansanischen Fremdenverkehrsamts (siehe Instagram) sind tausendfach geteilt.
Ich schlafe schlecht und lese am Morgen das erste Kapitel des Romans meiner Wahl sicher dreimal, weil ich mich nicht konzentrieren kann. Es vergehen etliche bange Stunden, bis die erlösende Nachricht meiner Ärztin bereits am Sonntagmittag eintrudelt:
Negativ.
Quiz
Bringe die folgenden Worte in die richtige Reihenfolge:
Mut, Leichtsinn, Verantwortung