„Wie oft warst du schon in Tansania?“ lacht mich der Immigration Officer freundlich an. „Puh, keine Ahnung“ erwidere ich grinsend. „Na, wenn Du es schon nicht mehr zählen kannst, dann hast du es wohl verdient, Staatsbürger zu werden“ gibt er mir strahlend mit auf den Weg und ich bin drin. Das war meine schnellste Immigration aller Zeiten. Zwei große Schülergruppen hinter mir, eine aus den Staaten und eine aus Kanada, scheinen den Prozess für harmlos aussehende Deutsche mit viel Gepäck heute zu beschleunigen. Diese Reise wird eine einzige Achterbahn der Gefühle für mich. Ich weiß es und bin vorbereitet. Ema steht nicht da draußen und holt mich ab.
Am nächsten Morgen regnet es ein bisschen, was uns aber nicht davon abhalten kann, drauflos zu ziehen. Wir suchen „Lost Places“. Ein Fotograf hat uns beauftragt, ebensolche Orte für Foto-Workshops aufzutun und das geht nicht ohne Witz vonstatten. Wir durchqueren den lebhaften Ort Usa River und Seif steuert den Landcruiser in Richtung des alten Bahnhofs. Mitten in der Pampa ist der Weg gesperrt. Zu meinem Erstaunen sitzt aber jemand ganz in der Nähe, der für die Schranke zuständig ist. Wo wir denn hinwollen, fragt er uns. „Zum Bahnhof“ sagt Seif. Das befördert das ein oder andere Fragezeichen ins Gesicht des freundlichen Mannes, und das nicht zu Unrecht. Man kann sich absolut fragen, was ein Safarifahrzeug bei einem verrotteten Bahnhofsgebäude will, wo Ende der 80er zuletzt ein Zug abgefahren ist! Aber der Wärter denkt sich seinen Teil, zuckt mit den Schultern und lässt uns passieren.
Wir finden sogar noch Gleise, eine alte Brücke und das Gebäude ist verhältnismäßig gut erhalten! Schilder zeigen an, was es mal war und wie auf Bestellung ziehen ein paar Jungs mit einer Herde Kühe und Esel vorbei. Ein ‚Lost Place‘ wie aus dem Bilderbuch.
Corina und Seif, die Inhaber der hiesigen Agentur, die unsere Reisen im Land arrangieren, haben eine Überraschung für mich vorbereitet. All die tollen Menschen, die für Abenteuer Tansania arbeiten, sind zum Dinner eingeladen. Die Safari Guides, die Angestellten des Blues (das ist das agentureigene Country B&B, wo wir sind) die Torwächter, die Gärtner, die Köchin, die Buchhalter… alle! „Ohne Euch geht gar nichts“ beginnt Corina Ihre Ansprache bei Tisch „wir können die schönsten Programme erarbeiten, die besten Camps reservieren, aber wenn Ihr nicht wärt, die Tag für Tag mit einem Lächeln auf den Lippen unseren Gästen dienen, dann wäre alles dahin“. Ich sehe in den Augen der Männer und von Köchin Whitness, wie sehr sie sich freuen.
Einigen ist es zunächst trotzdem so gar nicht geheuer, mit der Auftraggeberin aus Deutschland und Chef und Chefin am Tisch zu Abend zu essen. Aber spätestens beim Würfeln ist das Eis gebrochen. Ich habe ein lustiges Spiel aus Deutschland mitgebracht und Joshua, der Nachtwächter, zieht uns alle ab und strahlt über das ganze Gesicht.
Ich fühle mich zu Hause. Diese grundgütigen und ganz und gar arglosen Menschen hier am Tisch sind eine große Familie und nehmen mich wie selbstverständlich in ihre Mitte.
Am nächsten Tag brechen Corina, Wilson und ich auf und ich habe das Great Rift Valley noch nie so üppig blühend gesehen. Die heftigen Regenfälle der letzten 30 Tage haben einen Garten Eden erschaffen. Die Landschaft strotzt vor Leben und bunten Farben. Massai weiden ihr Vieh am Wegesrand. Je weiter wir uns dem mächtigen Grabenbruch nähern, umso schöner wird die Szenerie.