„Maren!“
„mmhm?“
„Kannst Du mal das Fenster zumachen?“
Es ist 5 Uhr. Morgens! Ich bin schnell wach und breche in brüllendes Gelächter aus. Später am Tag erzählt Corina, dass sie von diesem Moment an dann auch wach war – Nachbarzimmer! Linda meinte es gut mit mir, weil es wie Hechtsuppe ins Zimmer hineinzog und mein Bett dicht am Fenster steht. Warum sie allerdings nicht selber aufgestanden ist, um es zu schließen, sondern es vorzog, mich zu wecken, dafür fehlt es zu dieser frühen Stunde an plausiblen Erklärugsversuchen und der Tag beginnt, wie er später enden wird: Mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
Ein frühes Frühstück um 7 und los gehts, zu Fuß mit Maasai-Guide LERAI und Hund Copy in Richtung Natronsee. Wir wollen die 100.000 Jahre alten menschlichen Fußspuren sehen. Nach nur hundert Metern muss ich allerdings gleich erst einmal wieder umkehren, weil ich keinen Akku in der Kamera habe. Andreas bewahrt mich vor einem schlimmen Fehler, denn ich bin zu faul, will eigentlich weiterlaufen und nur mit dem Handy fotografieren. Man gut, dass ich auf ihn höre und eben zurückspurte, denn es dauert kaum weitere 15 Minuten, bis Giraffen in unmittelbarer Nähe unseren Weg kreuzen. Linda, erstmals außerhalb Namibias auf Safari, ist hingerissen und auch für Andreas und mich ist dieses Erlebnis zu Fuß kein “Business as usual”. “Morgenspaziergang mit Giraffen!”, murmelt Linda fasziniert vor sich hin, und sie strahlt.
Wir stapfen neugierig und erwartungsfroh durch den feinen, salzigen Sand, der alle Feuchtigkeit aufsaugt. Man spürt beinahe, wie die Haut von Stunde zu Stunde mehr austrocknet. Copy, der Hund, passt gut auf uns auf und wartet nervös auf Andreas, wenn der zum Fotografieren mal zurück bleibt. Nur, wenn alle beieinander sind, wedelt der goldige Retriever-Mix gelassen mit dem Schwanz und gähnt zufrieden.
Die Paviane Voraus sind Copy nicht geheuer, Gnus und Zebras machen ihm später wenig aus. Weiser Copy, denn mit Pavianen ist wirklich nicht zu spaßen! Lerai führt uns auf eine Anhöhe mit einer irren Aussicht über den See und die beinahe unwirklich schöne Landschaft. Die Fernsicht ist heute gigantisch. Im Hintergrund erhebt sich majestätisch der Ol Donyo Lengai und seine steilen Lavawände glitzern in der Morgensonne. Pelikane liefern uns eine Flugschau. Reiher auf der Suche nach einem Frühstück staksen durchs seichte Wasser. Saftiggrünes Schilfgras bildet einen schön anzusehenden Kontrast zum goldbraunen Sand der Umgebung und dem knallblauen Himmel. Ein mächtiger Wind zerzaust uns das Haar und die frische, kühle Luft pustet durch die Shirts. Wir erklimmen einen zweiten Hügel, schießen ein paar Schnappschüsse auf einem Felsvorsprung und halten schließlich auf die Ebene zu, wo die „Footprints“ zu sehen sind. Unten steht viel frisches Gras, weil es dieses Jahr so viel geregnet hat und der Ngare Zero Fluss aus dem Ngorongoromassiv hier in diversen Bächlein in den salzigen See mündet. Das scheint sich herumgesprochen zu haben, denn die Ebenen sind voller Gnus und Zebras. Wir marschieren mehr oder weniger direkt durch die Herden und da bleibt dann auch einem alten Safari-Hasen wie mir die Spucke weg. Zebras am Wasser im hohen Gras vor dem Heiligen Berg der Massai. Was für ein Anblick, was für ein Fotomotiv! Ich kann unser Glück kaum fassen.
Die Fußspuren sind eher weniger eindrucksvoll. „Wenn wir den Boden auf dem Hof neu betonieren latscht garantiert immer einer von uns, ein Hund oder ne Katze durch. Und genau so sieht das aus!“, gibt Linda zum besten.
Wilson erwartet uns mit dem LandCruiser, aber die Abfahrt gestaltet sich schwierig. „Wie jetzt, der Hund darf nicht mit??“ Linda ist entsetzt, droht damit, selbst auszusteigen, lässt sich aber schließlich von Lerai überzeugen, dass Copy gar nicht einsteigen möchte, sondern nebenher mit zurückläuft. Und so kommt es auch.
Es ist inzwischen 11 Uhr und Wilson bringt uns zum Fluss, wo wir am Ufer entlang zu einem Wasserfall wandern und dort auch schwimmen wollen. Wandern? Äh, nein! Das korrekte Verb wäre „klettern“! Mir wird schnell absolut klar, warum Trekkingsandalen oder feste Schuhe empfohlen werden. Wir quetschen uns am Hang entlang, queren mehrfach den Fluss, der ordentlich Strömung aufweist. Wir versinken bis weit übers Knie im glasklaren Wasser und erklimmen echt steile, felsige Abhänge und Ufer. In Gedanken scanne ich meine Gäste: der kann das machen, der nicht…. der? Wir müssen dafür unbedingt eine „ohne Gewähr“-Klausel einführen. Ich wundere mich, dass es hier bisher nie nennenswerte Unfälle gab. Wahrscheinlich deswegen, weil es so anspruchsvoll ist, dass wirklich jeder dem Weg seine volle Aufmerksamkeit schenkt. „Etliche Handys und Kameras sind im Fluss allerdings schon versenkt worden!“, weiß unsere Camp-Managerin. Wundert mich nicht.
Das Bad im Pool unterm Wasserfall ist episch, die Glücksgefühle kaum in Worten auszudrücken. 15 oder 20 Meter donnert der Strahl hinab und massiert meine maladen Schultern. Kalt ist es und klar und ganz und gar wunderbar. Das ist Leben, das ist Abenteuer, das ist Freiheit! Glückselig strahlen wir drei einander an. Was soll jetzt noch kommen? Das hier ist einfach perfekt.
Wir legen uns zum trocknen in die Sonne, genießen den Blick zu den Palmen hinauf am Berg, kraxeln später zurück und erleben später am Nachmittag – auch das heute noch – eine Pirschfahrt in den Sonnenuntergang, für die mir wirklich die passenden Worte fehlen. Hunderte, ach was, tausende Zebras im diffusen Licht der untergehenden Sonne, das durch den „Sternenstaub“ des feinen Sandes noch extra weich gezeichnet wird. Flamingos auf dem See. Ein Hügel zum Sundowner. Cola-Rum mit frisch geschnittener Zitrone. Der Ol Donyo Lengai leuchtet im Licht der letzten Sonnenstrahlen mit Lindas Augen um die Wette.
Was für ein unglaublich großartiger Tag.